Jüdische Philosophie

Philosophisch ist der Gedanke einer komplexen, unteilbaren Einheit der Bibel nicht fremd. Das Volk Israel ist eine Komplexe, unteilbare Einheit – ein Volk, das aus 12 Stämmen besteht. Das Gesetz Moses ist eine komplexe, unteilbare Einheit – ein Gesetz, bestehend aus 613 Geboten. Die Ehe ist eine komplexe, unteilbare Einheit – eine Ein-Fleisch-Beziehung zwischen Mann und Frau. Ist es dann inkonsequent, wenn auch der Gott des Universums eine komplexe, unteilbare Einheit ist?

Es gibt ein Buch von Dr. J. David Bleich mit dem Titel With Perfect Faith – The Foundations of Jewish Belief. Darin entwickelt Dr. Bleich das jüdische Denken um die „Dreizehn Prinzipien des Glaubens“ von Maimonides. Er gibt im ersten Kapitel eine Einführung in die Dreizehn Prinzipien und entwickelt jedes Prinzip in den folgenden Kapiteln. In seinem Überblick über Prinzip Nummer 2, das von der Einheit handelt, macht er folgende Bemerkung:

  • Saadja (HaGaon) ist bereit, Gott die Eigenschaften von Leben, Kraft und Weisheit zuzuschreiben.[1]

  • Bahja Ibn Pakuda unterscheidet zwischen dem, was er als ‚wesentlich‘ und ‚aktiv‘ bezeichnet. Die ersteren sind drei an der Zahl: Sein, Einer, Ewig.[2]

  • (Judah) HaLevi regards divine attributes as being divisible into three classes: actional, relative, and negative.[3]

Ist es nicht interessant, wie die Zahl Drei immer wieder auftaucht bezüglich der Einheit Gottes? In seiner Fußnote zu Saadjas Ausführungen bemerkt Dr. Bleich:

Gott, in dem es keine Veränderung gibt, ist lebendig, weise und mächtig aufgrund seines Wesens. Mit anderen Worten, diese drei Eigenschaften sind identisch mit seinem Wesen (Betonung von mir). Saadja hebt diesen Punkt hervor in seiner Behandlung der christlichen Lehre von der Dreieinigkeit, die seiner Meinung nach die drei Eigenschaften von Sein, Weisheit und Leben im Sinne von drei getrennten Personen beschreibt, nämlich Vater, Sohn (Logos) und Heiliger Geist … die drei Eigenschaften Leben, Weisheit und Macht sind identisch mit dem Wesen Gottes.[4]

Dr. Bleichs Fußnote verrät einen Irrtum im Verständnis Saadjas von der christlichen/ biblischen Dreieinigkeitslehre. Die christliche/biblische Lehre von der Dreieinigkeit behauptet nicht, daß Vater, Sohn (Logos) und Heiliger Geist drei getrennte Personen seien. Das Mißverständnis wird deutlich durch die Anwesenheit des Wortes „getrennt“. Es gibt zwei Bemerkungen, die genauer sind.

Als erstes redet die christliche Dreieinigkeitslehre in persönlichen Ausdrücken von Gott. Gott ist eine „Person“, und darum ist es richtig, von Ihm in persönlichen Ausdrücken zu sprechen. Gott ist nicht einfach nur eine Eigenschaft oder eine Kraft. Zweitens sagt die christliche Dreieinigkeitslehre, daß Vater, Sohn und Heiliger Geist identisch sind mit dem Wesen Gottes, nicht drei „getrennte Personen“. Diese Drei werden besser beschrieben als dieselben in ihrem Wesen, aber doch voneinander zu unterscheiden.

Saadjas Verständnis bedarf einer Verfeinerung durch die von Dr. Bleich verwendete Ausdrucksweise. Die drei Personen (Vater, Sohn, Heiliger Geist) sind mit Gottes Wesen identisch. Wenn drei Eigenschaften unterschieden werden, jedoch identisch sind mit dem Wesen Gottes, warum ist es dann so extrem, wenn drei Personen zu unterscheiden, aber mit Gottes Wesen identisch sind? In beiden Fällen sprechen wir von einem dreieinigen Gott, der eine komplexe, unteilbare Einheit ist. Schließlich ist es eine unserer rabbinischen Traditionen, daß Gott alles geschaffen und angeordnet hat auf dreifache Weise.

Lassen Sie mich aus dem Midrasch Tanchuma über 2.Mose 19 zitieren:

2.Mose 19 beginnt mit den Worten „Im dritten Monat“. Das wird erklärt durch Sprüche 22,20: „Hab ich dir’s nicht mannigfach (hebr. dreifach) aufgeschrieben als Rat und Erkenntnis.“ Dazu sagt Rabbi Joschua bar Nehemiah: Das ist die Tora, deren Buchstaben dreifach sind, Alef, Bet, Gimel, und alles stellt eine Dreiheit dar. Die Tora ist eine Dreiheit, denn sie besteht aus der Tora, den Propheten und den Schriften. Die Mischna (Lehren des Talmuds) ist eine Dreiheit, bestehend aus Talmud (Lehre), Halachot (tägliche jüdische Gesetze) und Haggadot (geschichtliche Notizen). Der Mittler bestand aus der Dreiheit von Mirjam, Moses und Aaron. Gebete sind eine Dreiheit aus Morgen-, Nachmittags- und Abendgebeten. Israel ist eine Dreiheit von Priestern, Leviten und Israeliten. Der Name Mose besteht im Hebräischen aus drei Buchstaben. Er kommt aus dem Stamm Levi, hebräisch drei Buchstaben, aus dem Samen der Patriarchen, die eine Dreiheit aus Abraham, Isaak und Jakob darstellen. Im dritten Monat, das ist der Monat Siwan nach Nissan und Ijjar, auf dem Berg Sin, der mit drei Buchstaben geschrieben wird, wie geschrieben steht: „Und sie lagerten in der Wüste Sin“ (vgl. 4.Mose 33,11).

Der Midrasch Tanchuma erkennt klar das göttliche Muster von „drei“. Das ist das Schema einer komplexen, dreifachen, unteilbaren Einheit. Wenn dieses Schema und sein Verständnis wesentlicher Bestandteil des jüdischen Denkens ist, ist es dann unannehmbar, unbiblisch und unjüdisch, Gott selbst für eine komplexe, dreiheitliche, unteilbare Einheit zu halten? Es gibt klare Beweise von einer komplexen, unteilbaren Einheit im Denken der jüdischen Gemeinschaft, was das Wesen Gottes betrifft. Das wird ironischerweise von dem Volk, das darüber geschrieben hat, verneint und bekämpft, aber es existiert immer noch. Gott ist ein komplexes, unteilbares Wesen, und das wird ebenso von den biblischen Aussagen wiedergespiegelt.

  1. ^ Bleich, Dr. J. David, With Perfect Faith-The Foundations of Jewish Belief (New York, Ktav Publishing House, Inc., 1983), p. 108

  2. ^ Ibid

  3. ^ Ibid, p. 109

  4. ^ Ibid, p. 117