Vorwurf der Anti-Missionare:
In der Luther-Bibel von 1984 wird Psalm 16,9-10 so übersetzt:
„Darum freut sich mein Herz, und meine Seele ist fröhlich; auch mein Leib wird sicher liegen. Denn du wirst mich nicht dem Tode überlassen und nicht zugeben, daß dein Heiliger die Grube sehe.“
(Früher stand bei Luther „daß dein Heiliger verwese“, und die alte englische Bibel [KJV] sprach nicht vom Tode, sondern von der „Hölle“.)
Warum wird der Satz nicht mit Vers 11 fortgesetzt? Das geht nicht, weil David nicht von Jesus spricht. David spricht von sich selber. In Vers 11 sagt er:
„Du tust mir kund den Weg zum Leben: Vor dir ist Freude die Fülle und Wonne zu deiner Rechten ewiglich.“
In der hebräischen Übersetzung lesen wir in Psalm 16,9-10:
„Darum freute sich mein Herz, und meine Seele war fröhlich; auch mein Leib wird in Sicherheit wohnen. Denn Du wirst meine Seele nicht dem Grabe überlassen; Du wirst nicht zulassen, daß dein Frommer die Grube sieht.“
„Darum freute sich mein Herz, und meine Seele war fröhlich; auch mein Leib wird in Sicherheit wohnen. Denn Du wirst meine Seele nicht dem Grabe überlassen; Du wirst nicht zulassen, daß dein Frommer die Grube sieht.“
HaDavars Antwort:
Wir stimmen hier in einigen bedeutenden Punkten überein. Zuerst müssen wir zurückblicken auf die zuvor gegebenen Anmerkungen mit dem Titel „Die vier Methoden, mit denen die Brith Chadaschah (Das Neue Testament) die hebräische Bibel anwendet“. Darin wurde festgestellt, daß das Neue Testament konsequent die hebräischen Schriften auf viererlei Weise auslegt. Hier haben wir ein Beispiel für wörtliche Prophetie mit philosphischer oder typischer Erfüllung (Rémes). Einige Erläuterungen aus dem Bible Knowledge Commentary behandeln diese Passage recht gut. Der Bible Knowledge Commentary wurde von konservativen, dispensionalistischen Gelehrten aus dem Dallas Theological Seminary geschrieben. Das Dallas Theological Seminary ist ein unabhängiges Seminar, es ist keiner besonderen Denomination angeschlossen und vertritt eine sehr solide Theologie.
„David wurde zugesagt, daß der Herr sein Leben angesichts des Todes bewahren werde. Er freute sich, weil Gott seinem Leib sichere Ruhe verschaffen wollte, selbst wenn er mit dem Tode konfrontiert würde. Der Grund für diese Ruhe lag darin, daß Gott ihn nicht dem Grab überlassen noch seinen Heiligen Verwesung sehen lassen wollte. Dieser Vers bezieht sich auf David, der sich selbst als Gottes „Heiligen“ beschreibt, das ist einer von Gottes Heiligen (vgl. Vers 3). Er fand Trost in der Tatsache, daß Gott zu dieser Zeit nicht zulassen würde, daß sein Körper sterbe und im Grab verwese. Gott ließ ihn den Weg des Lebens erkennen, und so wurde für ihn das Erlebnis weiterer Freude in Gottes Gegenwart vorweggenommen (V.11).“
„Die Verse 8-11 wurden von Petrus am Pfingsttage zitiert (Apg. 2,25-28), und Psalm 16,10b wurde von Paulus in Antiochien ausgelegt (Apg. 13,35-37). Im Blick auf Christi Auferstehung sind die Worte Davids auch typologisch; sie überstiegen sein eigenes Erleben und wurden in Christus zur geschichtlichen Wirklichkeit. Bewahrung vor dem Verwesen im Grab ist der Gedanke hinter dem Erleben beider, Davids und Jesus, aber bei David kam sie durch eine (zeitlich beschränkte) Befreiung vom Tod, während sie bei Jesus durch eine Auferstehung vom Tod kam.
In Apg. 2,25-32 lesen wir, was Petrus verkündet:
„Denn David spricht von ihm: »Ich habe den Herrn allezeit vor Augen, denn er steht mir zur Rechten, damit ich nicht wanke. Darum ist mein Herz fröhlich, und meine Zunge frohlockt; auch mein Leben wird ruhen in Hoffnung. Denn du wirst mich nicht dem Tod überlassen und nicht zugeben, daß dein Heiliger die Verwesung sehe. Du hast mir kundgetan die Wege des Lebens; du wirst mich erfüllen mit Freude vor deinem Angesicht.« Ihr Männer, liebe Brüder, laßt mich freimütig zu euch reden von dem Erzvater David. Er ist gestorben und begraben, und sein Grab ist bei uns bis auf diesen Tag. Da er nun ein Prophet war und wußte, daß ihm Gott verheißen hatte mit einem Eid, daß ein Nachkomme von ihm auf seinem Thron sitzen sollte, hat er’s vorausgesehen und von der Auferstehung des Christus gesagt: Er ist nicht dem Tode überlassen, und sein Leib hat die Verwesung nicht gesehen. Diesen Jesus hat Gott auferweckt; dessen sind wir alle Zeugen.“
Zuerst beachten wir, daß Petrus den Vers 11 (Apg. 2,28) zitiert. Er hält den Vers für passend zu seinem Argument, darum führt er ihn an. Seine Hauptfeststellung ist, daß dieser Psalm nicht vollständig nur von David handeln kann. Warum? Weil Davids Leib tatsächlich Absterben und Verwesung erleiden mußte, als er schließlich starb. Man kann die Bezeichnung „David“ nicht ausschließlich auf ihn selbst beziehen. Davids Worte übersteigen sein persönliches Erleben. Doch Petrus sah auch die Verbindung mit einem anderen, tatsächlichen Geschehen, das ohne Einschränkung zu Davids Worten paßt. Im Denken des Petrus deuten Davids Worte das an, was mit Jesus geschah. David war ein Prophet und sah den messianischen König voraus.
Nun lassen Sie uns sehen, was Paulus in Apg. 13,35-37 zu sagen hat:
„Darum sagt er auch an einer anderen Stelle: »Du wirst nicht zugeben, daß dein Heiliger die Verwesung sehe.« Denn nachdem David zu seiner Zeit dem Willen Gottes gedient hatte, ist er entschlafen und zu seinen Vätern versammelt worden und hat die Verwesung gesehen. Der aber, den Gott auferweckt hat, der hat die Verwesung nicht gesehen.“
Beachten Sie, daß Paulus nicht den Vers 11 zitiert. Er hielt diesen Vers nicht nötig zur Unterstützung seines Arguments. Aber seine Erkenntnis ist dieselbe wie die des Petrus. Auch Paulus sagt, wir können die Aussage dieses Psalms nicht auf David beschränken, weil sie nicht auf David paßt. David hat am Ende seines Lebens die Verwesung erfahren. Jesus indessen mußte keine Verwesung Seines Leibes durchmachen, weil er auferweckt wurde. Wir haben hier also wiederum eine wörtliche Prophetie, die ein Vorbild für ihre spätere, eigentliche Erfüllung darstellt (Rémes).
Beide argumentieren vom Geringeren zum Größeren. David wurde zeitweilig während seiner Lebenszeit vor dem Grabe bewahrt, aber am Ende mußte er doch Grab und Verwesung durchmachen. Das ist das Geringere. Jesus jedoch besiegte Grab und Verwesung durch Seine Auferstehung. Das ist das Größere.
Schließlich ist der hebräische Ausdruck für „Hölle“ (wie es die englische Übersetzung wiedergibt) das Wort Scheol, der Aufenthaltsort der Toten, das Grab, die Grube, die Unterwelt. Zugegebenermaßen ist „Hölle“ keine gute Übersetzung, denn es gibt nur ein angelsächsisches Wort wieder, aber nicht das hebräische. Während aber die Übersetzer der KJV im Jahre 1611 eine dürftige Arbeit leisteten, ist das nicht mehr so in den heutigen Übersetzungen. Wir haben gesehen, daß die deutsche Luther-Bibel vom „Tode“ spricht, andere sagen beispielsweise „Grab“ oder „Unterwelt“, und das ist annehmbar.
Das hebräische Wort für „Verwesung“ (englische KJV, früher auch Luther) lautet Schachath und bedeutet „Grube“ (sowohl wörtlich als auch die Grube der Scheol) und „Zerstörung, Verwesung“. Die verschiedenen Übersetzungen bevorzugen die eine oder die andere Wiedergabe, doch kann man ihnen allen zustimmen.
Offensichtlich verstanden die messianischen Juden des ersten Jahrhunderts, Petrus und Paulus, das Wort als Ausdruck von Verwesung und Untergang. Es bleibt dem Leser überlassen, ihre Botschaft zu hören und dann zu entscheiden, ob er damit einverstanden sein will oder nicht. Es scheint aber keinen wesentlichen Unterschied zwischen Grube und Verwesung zu geben. Jesus hat beides durch die Auferstehung besiegt. David mußte schließlich die Grube kennenlernen, und sein Leib wurde der Verwesung unterworfen. Aber Davids Seele war nicht verlassen in der Unterwelt, denn er hatte eine persönliche Beziehung zu Gott und vertraute Ihm. Sein irdischer Leib mag heutzutage zu Staub zerfallen sein, aber er lebt fort und erlebt die Herrlichkeit Gottes genau in diesem Augenblick.
Die abschließende Untersuchung ergibt, daß der Text nicht manipuliert worden ist. Die verschiedenen Übersetzungen, sowohl jüdische und nichtjüdische, haben ihre Stärken und Schwächen. Aber niemand versucht damit, irgendjemanden zu betrügen oder zu überreden, um seine Religion zu wechseln.